<startseite
Über "Ich und Ikea"
von Esther Horn 2005
Der reine Kapitalismus bewirkt die Gleichstellung der Menschen mehr
als der Sozialismus es je gekonnt hat", so der in Münster
ansässige Künstler Ruppe Koselleck im Hinblick auf seine jüngste
Ausstellung - bei Ikea. Nicht nur das fast jeder mindestens einen Kleiderbügel,
Sessel oder ein Regal (mal gehabt, jetzt im Keller) des sattsam bekannten
schwedischen Möbelhauses in seiner eigenen Bleibe aufzuzählen
wüßte. Auch expansive Bestrebungen des in allen Kontinenten
der Welt vertretenen Konzerns nach dem kommunistischen Zusammenbruch
beispielsweise veränderten, wie in einem TV- Film "Ikea in
Moskau" dokumentiert, binnen eines Jahres unterschiedlichste Wohnformen
der russischen Hauptstadt in den durchgestylten Einrichtungshaus-Typus.
Seit 1999 fügt der für den Förderpreis der Nationalgalerie
vorgeschlagene Künstler hier und da Kunstkataloge und Ausstellungsankündigungen
in das Ambiente deutscher, niederländischer und französischer
Filialen (weitere in Planung) der Interieur-Firma ein, tauscht unerkannt
Fotos von Musterfamilien in Musterrahmen gegen eigene Fotos aus: seiner
Familie, seiner Freunde, Selbstporträts. Verschwitzt-angestrengte
Bilder von Ostereierausblasenden Familien, lächelnden Menschengruppen
in leichter Erstarrung ob der Kameraerfassung, im üblichen gelbstichig-unbrillianten
Farbabzug, überraschen den Besucher beim entspannten Blick auf
ein zu erstehendes Möbel - und überdaueren vom Personal unentdeckt
teilweise mehrere Jahre.
Als "erste Ich und Ikea Arbeitsergebnisse" stellt der Künstler
die Dokumentation solcher Eingriffe zur Zeit in dem Kulturzentrum Kolvenburg
bei Billerbeck und der Galerie "Umtrieb" in Kiel vor. Diese
"Parasitären Publikationen" (Koselleck) sind kein Zeugnis
einer etwa feindlichen Einstellung des Künstlers gegenüber
der Konzernbestrebung, einen umfassenden "lifestyle" auf der
ganzen Welt zu prägen. Genauso harmlos und humorvoll-freundlich,
wie Ikea seine Produkte anbietet, bietet Koselleck Ikea und seinem Klientel
seine "Echtfamilienfotos"an, wohl ahnend, das er damit am
ehesten der sublim-raffinierten Strategie eines Lebensgefühls (lebst
du schon oder wohnst du noch) und dem Unwohlsein etwas entgegensetzt,
das einem bei dem Gedanken befällt, dass in der ganzen Welt eine
letzlich genormte Lebensfreude die Wohnzimmer füllt. Regisseure
wie David Fincher (fight club) und Wolfgang Becker (Goodbye Lenin) teilen
dieses Gefühl, in seinem berühmten Film skizziert Fincher
anfangs das Psychogramm einer zerfallenden Persönlichkeit (Edward
Norton als Jack) mit dem Wunsch, seine innere Leere mit dem Erwerb von
"Möbeln aus einer schwedischen Möbelhauskette" zu
stabilisieren. Becker beschreibt markant den Ostberliner "Aufbruch
West" mit einem Aufmarsch an Entrümpelungsszenen und nachfolgendem
Einzug des schwedischen Mobiliars, flankiert von einem riesigen Ikea-
Plakat.
Da ist Kosellecks "Öffentlichkeitsarbeit" spurenhafter
und wer der so geistvollen wie anarchischen Prägung von Konzeptkunst
begegnen will, dem seien die Ausstellungen in den erwähnten Galerien
sowie bei Ikea u.a. in Hengelo, Straßburg, Bielefeld oder Hamburg
empfohlen...
(zurück)